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Beitrag vom 07.03.2005
8. März - Grund zum Feiern? - Antworten von Christel Humme
Ilka Fleischer
Im E-Interview stellte sich auch Christel Humme, MdB, familien-, senioren-, frauen- und jugendpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, unseren 8 Fragen zum 8. März.
Ilka Fleischer: Seit dem ersten Internationalen Frauentag 1911 gab es im vergangenen Jahrhundert für deutsche Frauen nicht nur Anlass zu Kritik, sondern auch gute Gründe zum Feiern, allen voran die Durchsetzung des Frauenwahlrechts 1918. Was waren aus Ihrer Sicht bislang die größten Erfolge oder Fortschritte für Frauen im dritten Jahrtausend - nicht nur, aber auch in Ihrer Partei?
Christel Humme: Noch bis in die siebziger Jahre war die Zustimmung des Ehemannes erforderlich, wenn die Frau berufstätig sein wollte. Heute ist für viele Frauen Ausbildung, Studium und Berufstätigkeit selbstverständlich geworden.
An deutschen Unis studieren inzwischen nicht nur mehr Frauen als Männer, auch die Zahl der erfolgreichen Absolventinnen übertrifft die ihrer männlichen Mitstreiter. Im Vergleich zu früheren Generationen sind Frauen hoch qualifiziert und können ihre individuellen Lebensentwürfe realisieren. Die kontinuierlichen Fortschritte der Gleichstellungen haben die Stellung der Frau in der Gesellschaft deutlich gestärkt. Beispielsweise sind für mich der Kompromiss beim Paragraphen 218 und die Strafbarkeit von Vergewaltigung in der Ehe wichtige Schritte auch der rechtlichen Selbstbestimmung der Frau.
Wichtig war auch die Einführung der Quotenregelung in der SPD, die eine angemessene Beteiligung von uns Frauen auf allen Ebenen der Partei vorsieht. Da hat sich einiges bewegt!
Ilka Fleischer: "Brot und Rosen!" - Brot zum Leben und Rosen, damit sich das Leben lohnt - forderten Textilarbeiterinnen 1912 im Streik gegen Hungerlöhne in den USA noch recht bescheiden. Inzwischen wollen viele Frauen wesentlich mehr: Nach Gittes Song "Ich will alles" Anfang der 80er Jahre titelte die Bestsellerautorin Maeve Haran kürzlich "Alles ist nicht genug". Werden Frauen allmählich maßlos in ihren Forderungen?
Christel Humme: Nein, dass Frauen in ihren Forderungen maßlos werden, sehe ich nicht. Denn trotz zahlreicher Fortschritte, die rot-grün seit 1998 erreichen konnten, gibt es noch einiges zu tun. Gleicher Lohn für Männer und Frauen für gleichwertige Arbeit beispielsweise ist hierzulande leider immer noch keine Selbstverständlichkeit.
Ilka Fleischer: Valerie Solanas, behauptete 1968 in ihrem Manifest "Society for Cutting up Men", Männer wären aufgrund der Chromosomstruktur unvollständige Frauen und versuchten daher ihr Leben lang, sich zu vervollkommnen. Gibt es zwischen Mann und Frau Unterschiede, die Sie für "naturbedingt" halten?
Christel Humme: Ja natürlich! Es sind immer noch wir Frauen, die die Kinder bekommen.
Ilka Fleischer: Norbert Blüm hat sich einmal neidisch auf "die Firma Mutter und Kind, die sich in den neun Monaten der Schwangerschaft bildet" geäußert und bedauerte, dass Männer dagegen nie "ankommen". Worauf sind Sie bei Männern "neidisch"? Was würde Ihnen bei einem Rollentausch besonders gut gefallen?
Christel Humme: Neid ist eine Eigenschaft, die bei mir glücklicherweise nicht besonders ausgeprägt ist. Die Idee des Rollentauschs finde ich -offen gestanden - nicht sonderlich reizvoll.
Ilka Fleischer: "Frau allein ist noch kein Argument, es muss auch noch was zwischen den Ohren sitzen", behauptet Heide Simonis. Aber auch: "Politik ist der Sieg des Hinterns über das Gehirn". Welche Voraussetzungen müssen Frauen in der Politik also mitbringen?
Christel Humme: Sicherlich nicht nur in der Politik müssen Frauen besser sein und mehr Leistung bringen als Männer, um sich behaupten zu können. Daher ist die Mischung Hirn und Hartnäckigkeit gepaart mit einer hohen Frustrationstoleranz für Politikerinnen eine wichtige Voraussetzung. Denn gerade in der Politik geht vieles leider nicht so schnell, wie Frau es sich wünscht.
Ilka Fleischer: Während Gerhard Schröder laut Infratest bei Frauen populärer ist als bei Männern, schneidet Edmund Stoiber bei Männern besser ab. Was müsste Herr Stoiber verändern, um bei Frauen einen höheren Beliebtheitsgrad zu erlangen? Oder allgemeiner: Was schätzen Frauen an PolitikerInnen?
Christel Humme: Sachkompetenz und Glaubwürdigkeit sind meiner Meinung nach zentrale Kompetenzen in der Politik - egal ob Mann oder Frau. Im Kontakt mit den meisten Parlamentarierinnen stelle ich immer wieder fest: Frauen gehen einfach anders miteinander um. Vielleicht gibt es hier tatsächlich so etwas wie eine besondere soziale Kompetenz.
Ilka Fleischer: Nach einer Studie zum Verhalten der BundesbürgerInnen im Haushalt werden 80 % der Hausarbeit immer noch von Frauen bewältigt. Nur 1,2 % der Männer putzen das Klo selbst. 73,3 % der Männer sind allerdings der Meinung, dass die Arbeit im Haushalt gerecht verteilt sei. Was bleibt - neben Gendermainstreaming - auf der politischen Ebene zu tun, und worin bestehen Ihres Erachtens die größten Fallstricke?
Christel Humme: Natürlich wünsche ich mir, dass mehr Männer im Haushalt auch mal die Klobürste zur Hand nehmen...Aber ernsthaft: Ihr Beispiel zeigt, dass klassische Rollenmuster zwischen Männern und Frauen immer noch weit verbreitet sind. Ich wünsche mir, dass gerade in Partnerschaften vermeintlich männliche oder weibliche Aufgaben hinterfragt werden und Männer sich im Haushalt aber auch bei der Erziehung und Betreuung von Kindern gleichberechtigt beteiligen. Es stimmt mich zuversichtlich, dass auch viele junge Väter Beruf und Familie besser miteinander vereinbaren möchten. Politik hat hier die Aufgabe, die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit diese strukturellen Veränderungen peu à peu greifen können. Die Schere in den Köpfen einiger Männer sehe ich als mögliche Fallstricke auf dem Weg zu einem gleichberechtigten Verhältnis der Geschlechter.
Ilka Fleischer: Die Frau der Zukunft stellte sich August Bebel als "Herrin ihrer Geschicke" vor, die "sozial und ökonomisch vollkommen unabhängig" sei. Wer verkörpert für Sie warum heutzutage die "Frau der Zukunft"? Natürlich können Sie uns auch gerne verraten, wen sie für altmodisch halten...
Christel Humme: Erfreulicherweise entdecke ich in der Gegenwart immer mehr "Frauen der Zukunft". Frauen, die ihre privaten und beruflichen Ziele erfolgreich miteinander in Einklang bringen können und ihr Leben selbst bestimmt in die Hand nehmen.
Neben Christel Humme nahmen 11 weitere PolitikerInnen an der elektronischen Befragung teil. Mit kleineren Abweichungen erhielten alle Interview-PartnerInnen den gleichen Fragenkatalog - und beantworteten unsere 8 Fragen zum 8. März in großer Vielfalt. Um die kompletten Beiträge zu lesen, klicken Sie bitte auf die Namen der einzelnen Interview-PartnerInnen:
- Evrim Baba, frauenpolitische Sprecherin der PDS-Fraktion im AGH von Berlin
- Edelgard Bulmahn , Bundesministerin für Bildung und Forschung
- Maria Eichhorn, MdB, Vorsitzende der Arbeitsgruppe Familie, Senioren, Frauen und Jugend der CDU/CSU-Fraktion
- Dagmar Enkelmann, stellvertretende Vorsitzende der PDS
- Ingrid Hofmann, Präsidiums-Mitglied in der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA)
- Ina Lenke, MdB, Familien-, frauen- und zivildienstpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Bundesvorsitzende der Liberalen Frauen
- Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, MdB, Bundesministerin a.D., Europapolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion
- Irmingard Schewe-Gerigk, MdB, Frauen- und familienpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90 / DIE GRÜNEN
- Renate Schmidt, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
- Klaus Wowereit , Regierender Bürgermeister von Berlin
- Brigitte Zypries, Bundesministerin der Justiz